Grüne Wandfarben-Test: In 10 von 19 Farben stecken kritische Inhaltsstoffe

Ratgeber Bauen & Wohnen 2024 | Autor: Philip Schulze/Marieke Mariani/Cordula Posdorf | Kategorie: Bauen und Wohnen | 02.05.2024

In unserem Test von grünen Wandfarben haben wir stark allergenisierende Inhaltsstoffe gefunden.
Foto: ÖKO-TEST

Gefühlt bringen grüne Wandfarben ein Stück Natur nach Hause. Aber sind sie auch gesund wie ein Waldspaziergang? Im Test stieß das Labor in einigen Produkten auf kritische Stoffe. Immerhin: Mit neun grünen Wandfarben können Sie bedenkenlos streichen.

  • Im Test: 19 grüne Wandfarben. Für diese bezahlten wir zwischen 6 und 69,33 Euro pro Liter Farbe.
  • Viel kosten muss ein schöner Anstrich nicht: Unter den acht "sehr guten" Wandfarben sind auch einige vergleichsweise günstige Produkte.
  • Wir kritisieren unter anderem allergieauslösende Isothiazolinone, problematische Formaldehyd/-abspalter und Zinkpyrithion in einigen Wandfarben.

Aktualisiert am 2.5.2024 | Ob "Besinnliches Waldgrün", "Stille des Dschungels" oder "Held des Waldes" – grüne Wandfarben liegen im Trend und sollen die Schönheit der Natur in die eigenen vier Wände holen. Doch von einer Farbe erwarten wir nicht nur eine optische Wohlfühlatmosphäre, sondern auch, dass sie unser Zuhause nicht mit bedenklichen Stoffen belastet.

Gerade in Wohn- oder Schlafräumen, in denen wir uns täglich über Stunden aufhalten, wollen wir weder während des Streichens noch danach belastete Raumluft atmen müssen. Wir haben 19 Dispersionswandfarben in verschiedenen Grüntönen umfangreichen Laboranalysen unterziehen lassen. 

Schöner Wohnen, Alpina & Co.: Grüne Wandfarben im Test

Das Ergebnis: Leider erfüllen nicht alle den oben genannten Anspruch. Während neun Farben aus unserer Sicht unbedenklich sind, enthalten andere problematische Inhaltsstoffe – nicht alle davon sind auf der Verpackung zu erkennen. Und auch wichtige Angaben sowie Sicherheits- und Gebrauchshinweise fehlen teilweise.

In den eigenen vier Wänden kann grüne Wandfarbe für einen optisch frischen Anstrich sorgen.
In den eigenen vier Wänden kann grüne Wandfarbe für einen optisch frischen Anstrich sorgen. (Foto: Artur_Nyk/Shutterstock)

Allergieauslösende Konservierungsstoffe in grüner Wandfarbe

In mehr als der Hälfte der getesteten grünen Wandfarben wies das Labor Isothiazolinone nach. Diese Substanzen werden vor allem zur Konservierung wasserbasierter Gemische wie Farben oder Flüssigwaschmittel eingesetzt, um zu verhindern, dass sich in ihnen schädliche Organismen vermehren. Sie gelten jedoch als stark allergieauslösend und werden deshalb in vielen Anwendungsbereichen wie Kosmetika zunehmend stärker reglementiert.

In den Vergabekriterien des Umweltzeichens Blauer Engel für emissionsarme Wandfarben sind solche sogenannten Topfkonservierungsmittel nicht mehr erlaubt und dürfen nur in Spuren nachweisbar sein, wenn sie etwa zur Vorkonservierung einzelner Bestandteile eingesetzt wurden.

Bei der Bewertung haben wir uns an den Spurengehalten des Blauen Engels für die häufig zusammen eingesetzten Verbindungen Benzisothiazolinon (BIT), Methylisothiazolinon (MIT) und Chlormethylisothiazolinon (CIT) orientiert. Zehn Produkte überschritten mindestens einen dieser Werte.

Grüne Wandfarbe im Test: Jetzt Ergebnisse als ePaper kaufen

Labor stößt auf problematisches Formaldehyd

In einer grünen Wandfarbe im Test hat das Labor neben BIT und MIT auch Formaldehyd/-abspalter nachgewiesen. Formaldehyd ist von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Wegen seiner konservierenden Eigenschaften wurde es lange in Farben, Lacken, Reinigungsmitteln und Kosmetik angewendet. Auch bei der Herstellung von Möbeln und Baumaterialien kommt es zum Einsatz.

Formaldehyd dünstet in die Raumluft aus und kann über die Atemluft aufgenommen zu Tumoren im Nasen- und Rachenbereich führen, es kann die Schleimhäute reizen und Allergien auslösen. ÖKO-TEST kritisiert Formaldehyd schon lange, in den vergangenen Jahren ist auch die Gesetzgebung strenger geworden. Aus unserer Sicht hat es in Farben und Lacken – insbesondere für Innenräume – nichts zu suchen.

>> Lese-Tipp: Formaldehyd: Worin steckt der Stoff und woran kann ich ihn erkennen?

Reproduktionstoxisch und umweltgiftig

Ein Produkt enthält außerdem Zinkpyrithion. Der biozide Wirkstoff ist in der EU seit 2020 als wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen eingestuft – kann also die Fruchtbarkeit bei Mann und Frau sowie die Entwicklung ungeborener Kinder beeinträchtigen. Zudem gilt Zinkpyrithion als sehr giftig für Wasserorganismen.

In Kosmetika, in denen es beispielsweise als Antischuppenwirkstoff eingesetzt wurde, ist Zinkpyrithion seit 2021 verboten.

Wandfarbe verspricht reine Luft

Nun nehmen wir die Verpackungen genauer in den Blick. Ein Produkt im Test verspricht auf der Verpackung, "Wände in einen natürlichen Luftreiniger" zu verwandeln und "gesundheitsgefährdende Schadstoffe" aktiv zu beseitigen. Überzeugende Belege für diese Versprechen blieb der Hersteller uns aber schuldig.

Zwar legte er eine Laboranalyse vor, nach der die Farbe Formaldehyd aus der Raumluft bindet – jedoch nur im Vergleich zur leeren Prüfkammer, nicht zu einer herkömmlichen Wandfarbe. Belege für einen Effekt gegen andere Schadstoffe erhielten wir nicht.

In einigen grünen Wandfarben steckt Mica

Auch in Wandfarben kommt das Mineral Mica zum Einsatz. Anders als in Autolack oder Lidschatten aber nicht primär wegen des Glitzereffekts, sondern als Füllstoff, der unter anderem die Deckkraft erhöhen soll.

Ein Großteil des weltweit gehandelten Micas stammt aus Indien, wo es häufig von Kindern in illegalen Minen abgebaut wird. Da es für Mica in Wandfarben keine Deklarationspflicht gibt, fragten wir bei den Anbietern nach.

Fünf Produkte enthalten Mica. Hier baten wir zusätzlich um Belege zu dessen Herkunft. Alle Hersteller beziehen eigenen Angaben zufolge Mica aus Minen in Frankreich – Kinderarbeit und weitere Menschenrechtsverletzungen können hier ausgeschlossen werden. Ausreichend belegen konnten uns die Herkunft jedoch nur zwei Hersteller im Test.

Wandfarbe: Hinweise fürs Streichen

  • Auch farbige Wandfarben enthalten oft Titandioxid. Da eine krebserregende Wirkung kleinster Partikel in der Lunge nicht ausgeschlossen ist, tragen Sie beim Sprühen oder Abschleifen vorsichtshalber einen Atemschutz.
  • Als Vorbereitung für den Anstrich, kleben Sie Kanten, Fußleisten und sonstige Stellen sorgfältig ab – dunkle Farbe verzeiht keine Ungenauigkeiten. Poröse Untergründe benötigen vor dem Farbanstrich eventuell eine Grundierung.
  • Da sich dunkle Pigmente häufig am Eimerboden absetzen, muss die Farbe besonders gründlich aufgerührt werden, damit sie gut deckt. In der Regel sind bei dunkler Farbe für ein optimales Ergebnis zwei oder mehr Anstriche nötig.
  • Für glatte Untergründe eignen sich kurzflorige, für strukturierte Wände langflorige Rollwalzen am besten. Diese sollten großzügig in Farbe getränkt sein und in möglichst gleichmäßigen Bahnen über die Wand geführt werden.
  • Beim Streichen sollte die Farbe zügig und nass in nass ohne Unterbrechung auf die gesamte Wand aufgetragen werden. Vor einem zweiten (oder weiteren) Anstrich sollte die Wand hingegen zunächst gut durchtrocknen dürfen. Sorgen Sie dabei für eine gute Belüftung.
  • Flüssige Farben und Lacke müssen über die Schadstoffsammlung entsorgt werden – niemals in der Toilette oder der Natur. In den Hausmüll dürfen nur leere Farbeimer und kleine Mengen trockener Farbreste. 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 5/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für unseren Test haben wir 19 grüne Dispersionswandfarben eingekauft und bezahlten für diese zwischen 6 und 69,33 Euro pro Liter Farbe.

Ein spezialisiertes Labor untersuchte die Produkte in unserem Auftrag auf bestimmte Schwermetalle und weitere Elemente. Bei erhöhten Chromgehalten erfolgte zusätzlich eine Analyse auf wahrscheinlich krebserregendes Chrom (VI), das jedoch bei keinem Produkt nachgewiesen wurde. Zudem ließen wir allergieauslösende Isothiazolinone, Formaldehyd/-abspalter und die Gesamtgehalte an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) bestimmen. Letztere wurden nur in aus unserer Sicht unproblematischen Spurengehalten nachgewiesen. Die Produktverpackungen untersuchte ein Labor auf PVC/ PVDC/chlorierte Verbindungen. Per Deklaration erfassten wir darüber hinaus Zinkpyrithion. Vor dem Hintergrund möglicher Kinderarbeit bei der Gewinnung von Mica fragten wir dessen Einsatz bei den Herstellern ab und ließen uns gegebenenfalls die Herkunft belegen. 

Zudem prüften wir, ob auf dem Gebinde die Inhaltsstoffe sowie wichtige Warn- und Sicherheitshinweise angegeben sind, ob das Technische Merkblatt online und darin ergänzende Informationen zu finden sind. Dabei orientierten wir uns an den Vorgaben des Verbands Deutscher Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) sowie des Blauen Engels. Darüber hinaus erfassten wir Auslobungen zur CO2-Neutralität und zu weiterreichenden Eigenschaften der Wandfarbe.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) Zinkpyrithion; b) ein gemessener Gehalt von mehr als 0,5 mg/kg CIT und/oder ein gemessener Gehalt von mehr als 1,5 mg/kg MIT und/oder ein gemessener Gehalt von mehr als 15 mg/kg BIT; c) ein gemessener Gehalt von mehr als 30 mg/kg Formaldehyd/-abspalter.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) in Anlehnung an den Blauen Engel keine oder unzureichende Anwendungs- und Sicherheitshinweise auf dem Gebinde und dem Technischen Merkblatt ("Für Kinder unzugänglich aufbewahren."; "Bei Spritzarbeiten Schutzbrille und Kombifilter A2/P2 verwenden."; "Bei Spritzgefahr Schutzbrille tragen."; "Während der Verarbeitung und Trocknung für gründliche Belüftung sorgen."; "Essen, Trinken und Rauchen während des Gebrauchs der Farbe ist zu vermeiden."; "Bei Berührung mit den Augen oder der Haut sofort gründlich mit Wasser abspülen."; "Nicht in die Kanalisation, Gewässer oder Erdreich gelangen lassen."; "Nur restentleerte Gebinde zum Recycling geben. Materialreste können eingetrocknet als Hausmüll entsorgt werden." oder ähnliche Formulierungen); b) keine Angabe der Inhaltsstoffe nach VdL-Richtlinie auf dem Gebinde sowie im Technischen Merkblatt; c) Herkunft und Hersteller des im Produkt eingesetzten Micas genannt, aber Lieferkette zurück bis zur Mine nicht ausreichend belegt, wodurch Kinderarbeit nicht ausgeschlossen werden kann; d) Vorteil des Produktes mit Luftreiniger-Versprechen nicht vollumfänglich belegt. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) keine oder unzureichende Anwendungs- und Sicherheitshinweise auf dem Gebinde, sondern nur im Technischen Merkblatt ("Für Kinder unzugänglich aufbewahren."; "Bei Spritzarbeiten Schutzbrille und Kombifilter A2/P2 verwenden."; "Bei Spritzgefahr Schutzbrille tragen."; "Während der Verarbeitung und Trocknung für gründliche Belüftung sorgen."; "Essen, Trinken und Rauchen während des Gebrauchs der Farbe ist zu vermeiden."; "Bei Berührung mit den Augen oder der Haut sofort gründlich mit Wasser abspülen."; "Nicht in die Kanalisation, Gewässer oder Erdreich gelangen lassen."; "Nur restentleerte Gebinde zum Recycling geben. Materialreste können eingetrocknet als Hausmüll entsorgt werden." oder ähnliche Formulierungen); b) keine Angabe der Inhaltsstoffe nach VdL-Richtlinie auf dem Gebinde, sondern nur im Technischen Merkblatt; c) keine Angabe der Allergikerhotline auf dem Gebinde bei gleichzeitiger Deklaration von allergieauslösenden Konservierungs- mitteln; d) kein Technisches Merkblatt im Internet oder unter der auf dem Gebinde angegebenen Adresse erhalten; e) Werbung mit Klimaneutralität, CO₂-Neutralität oder einer missverständlichen CO₂-Bilanz ohne ausreichende Information dazu auf dem Produkt.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Deklarationsmängel im Sinne der Bewertung sind Angaben der Hersteller auf der Verpackung, die wir – unabhängig davon, ob es sich um Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben handelt oder nicht – als fehlerhaft, unzureichend oder verwirrend für Verbraucher ansehen.

Testmethoden

Isothiazolinone: Isothiazolinone: LC-MS/MS nach Extraktion. BIT = Benzisothiazolinon, MIT = Methylisothiazolinon.
Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Bestimmung mittels ICP-MS.
Chrom (VI): Herstellung eines Eluates nach DIN EN 12457-4:2003-01. DIN EN ISO 17075-1:2017-05 (hier nur Kap. 7.3 - 7.5). Angaben in gelöstes Element / kg Feststoff.
Flüchtige organische Verbindungen (VOC): GC-MS nach Extraktion.
Formaldehyd/-abspalter: Bestimmung mittels Fotometrie nach saurer Wasserdampfdestillation und Derivatisierung.
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Februar 2024

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 5/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.